Bericht: Erdoğan lässt Nationale Lotterie der Türkei zu lax kontrollieren
Posted on: 04/06/2025, 05:00h.
Last updated on: 04/06/2025, 09:39h.
- In Türkei wächst Kritik an Präsident Erdoğan, denn die staatliche Aufsicht über die Nationale Lotterie fällt seit ihrer Privatisierung aus.
- Enge Verbindungen zwischen Betreiber Demirören und Präsident Erdoğan werfen Fragen zur Unabhängigkeit auf.
- Oppositionsführer Babacan wirft der Regierung vor, illegales Online-Glücksspiel aktiv zu fördern.
In der Türkei wächst die Kritik an der Glücksspielpolitik der Regierung. Laut aktuellen Berichten wurde die staatliche Aufsicht über die Nationale Lotterie seit ihrer Privatisierung im Jahr 2020 faktisch ausgesetzt. Die operative Verantwortung liegt seither beim Konsortium Sisal Şans, einer Kooperation zwischen dem italienischen Unternehmen Sisal und der türkischen Demirören-Gruppe. Diese wird vom regierungsnahen Unternehmer Yıldırım Demirören kontrolliert.

Offiziell ist die Nationale Lotterie-Behörde der Türkei für die Überwachung zuständig. Wie der türkische Rechnungshof im Mai 2025 bestätigte, wurden seit der Übertragung der Lizenz keine vollständigen Audits durchgeführt. Weder Verkaufszahlen, Gewinnverteilungen noch Daten zu Händlern oder Spielverläufen wurden überprüft.
Obwohl behauptet wird, es bestehe Zugriff auf Live-Daten des privaten Betreibers, ergab die Prüfung ein anderes Bild. Zentrale Kennzahlen wie stündliche Umsätze, regionale Gewinnverteilungen oder stornierte Transaktionen wurden nie systematisch analysiert.
Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik
Yıldırım Demirören gilt als enger Vertrauter von Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Bereits 2019 kaufte er mithilfe eines 800 Millionen US-Dollar schweren Kredits der staatlichen Ziraat Bank die größte Mediengruppe des Landes. Ziel soll gewesen sein, die redaktionelle Linie auf Regierungskurs zu bringen. Der Kredit wurde bis heute nicht zurückgezahlt, ohne dass rechtliche Schritte eingeleitet wurden.
Seit 2020 hat Sisal Şans zahlreiche neue Spiele und digitale Formate eingeführt. Die Umsätze stiegen rasant. Allein im Jahr 2024 betrugen die Bruttospielerlöse digitaler Angebote rund 5,4 Milliarden Lira (ca. 167 Millionen US-Dollar). Davon flossen rund 1,35 Milliarden Lira (etwa 42 Millionen US-Dollar) als Steuerbeitrag in den Staatshaushalt.
Befürworter loben die Modernisierung des Marktes und die gestiegenen Einnahmen. Kritiker warnen jedoch vor einem „staatlich geschützten Monopol“ ohne demokratische Kontrolle. Im Parlament sprach ein Oppositionsabgeordneter von einem System, das „mit der Hoffnung armer Menschen spielt und daraus Profit schlägt“.
Die Behörde meldete im Jahr 2024 einen Rekordwert von rund 232.000 illegalen Glücksspielseiten an die Telekommunikationsaufsicht. In den ersten fünf Monaten 2025 kamen weitere 65.000 Webseiten hinzu. Etwa 86 Prozent dieser Angebote stammen laut Angaben aus Ländern wie den USA, Deutschland, Armenien, den Niederlanden und Kolumbien.
Illegales Glücksspiel wächst, Staat schaut weg
Während illegale, ausländische Anbieter aktiv verfolgt werden, bleibt der autorisierte Inlandsbetreiber ohne ernsthafte Kontrolle. Die Nationale Lotterie-Behörde reduzierte auch das Personal massiv. Von ehemals über 600 auf heute nur noch 317 Mitarbeitende.
Die Strukturen illegaler Glücksspielringe wurden in Gerichtsdokumenten offengelegt:
Mithilfe gekaufter Software, getarnter Transaktionen über Konten von Studenten oder Rentnern wird ein komplexes System betrieben, das Gewinne effektiv verschleiert. Gelder werden über diese Konten geleitet und häufig in Kryptowährungen umgewandelt. Somit bleibt die Herkunft verborgen.
Gerade Ende Mai äußerte sich Oppositionsführer Ali Babacan, dass Präsident Erdoğan das digitale Glücksspiel aktiv ermögliche, anstatt es zu begrenzen. In einem Fernsehinterview [Seite auf Englisch] bei Habertürk TV warf der Vorsitzende der DEVA-Partei der Regierung vor, durch die Vergabe von Lizenzen und fehlende Regulierung Millionen Menschen in die Spielsucht zu treiben.
Sie könnten es stoppen, tun es aber nicht. Im Gegenteil, sie erlauben es. Und derjenige, der heute die Lizenzen erteilt, ist der Präsident selbst.
Er wies darauf hin, dass selbst Zahlungssysteme durch staatliche Behörden kontrolliert würden. Ein Befehl genüge, und sie würden handeln.
Babacan sieht die Verantwortung klar bei der Regierung, die laut seiner Aussage die Glücksspielbranche gezielt fördert. Auch durch Vergabe von Lizenzen an regierungsnahe Medienunternehmer wie Demirören.
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