Großbritannien: Glücksspiel-Experten fordern unabhängige Spielsucht-Forschung

Posted on: 19/02/2022, 05:30h. 

Last updated on: 18/02/2022, 12:02h.

In Großbritannien wird zu wenig Forschung zur Spielsucht betrieben. Zudem wird die Forschung, die es gibt, oft von der Glücksspielindustrie und nicht von unabhängigen Stellen finanziert. Dies stellte ein Expertenteam in einem in dieser Woche im Fachjournal The Lancet Psychiatry veröffentlichten Bericht fest.

Universität von Cambridge, England
Am neusten Bericht zur Glücksspiel-Forschung in Großbritannien waren Forscher der Universität von Cambridge beteiligt. (Bild: Pixabay)

Die Forscher plädieren daher für eine gesetzliche Abgabe der Glücksspielindustrie von 1 %, mit der unter anderem die Folgen der Spielsucht für die britische Gesellschaft von unabhängigen Forschungsstellen besser untersucht werden sollen.

Die Autoren des Berichts sind Teil eines Expertenteams, das im Jahr 2020 das National UK Research Network for Behavioural Addictions (NUK-BA) zur Erforschung von verhaltensbezogenen Süchten wie der Glücksspielsucht gründete. Die Organisation erhalte nach eigenen Angaben keine Mittel von der Glücksspielindustrie.

Kritik an der Abhängigkeit der Forschung von der Glücksspielindustrie

Spielsucht könne den Forschern zufolge zu finanziellen, emotionalen und sozialen Problemen führen. Sie könne zu einer Zunahme der Gewaltbereitschaft sowie zur Teilnahme an illegalen Aktivitäten führen. Gleichwohl gebe es in Großbritannien nur wenige Forschungsarbeiten zu glücksspielbezogenen Schäden.

Die an dem aktuellen Bericht beteiligte Professorin Barbara Sahakian von der Abteilung für Psychiatrie an der Universität von Cambridge erklärt hierzu:

“Glücksspiel-Störungen sind ein ernstes Problem im Vereinigten Königreich, stehen aber auf der Prioritätenliste des britischen Gesundheitswesens nach wie vor weit unten. Es gibt einen chronischen Mangel an Forschung und eine nur verspätete Anerkennung des Problems, was bedeutet, dass das wahre Ausmaß spielbedingter Schäden und der damit verbundene Druck auf die Ressourcen ignoriert oder nicht erkannt wird.”

Die Daten, die im Vereinigten Königreich vorlägen, würden größtenteils aus den Berichten der Glücksspielbehörde (UKGC) stammen und auf einem nicht validierten Interviews basieren. Zudem werde die Arbeit der britischen Glücksspielbehörde durch Gebühren finanziert, die lizenzierte Glücksspielanbieter zahlen. Immer wieder wird von Kritikern und Spielerschützern daher die Unabhängigkeit der Forschung der UKGC infrage gestellt. Wie die Forscher in der Studie betonen, sei jedoch nicht nur die durch die Glücksspielindustrie finanzierte Forschung der Glücksspielbehörde problematisch.

Auch die Spielerschutz-Organisation GambleAware erhalte ihre Gelder größtenteils aus der Branche. Die Problematik, die sich dabei aus Interessenkonflikten ergeben könnte, sei immer wieder von Forschern und Gesundheitsdiensten hervorgehoben worden.

Kommt die Pflichtabgabe in Großbritannien?

Der effizienteste Weg, um künftig eine unabhängige Erforschung der Spielsucht und der damit verbundenen Probleme für die Gesellschaft sicherzustellen, sei den Forschern zufolge die Einführung einer Abgabe in Höhe von 1 % auf die Einnahmen der Glücksspiel-Branche.

Eine Pflichtabgabe in Höhe von 1 % auf die Einnahmen der Glücksspiel-Unternehmen steht in Großbritannien bereits seit einigen Jahren im Raum. Schon im Jahr 2019 erhöhten die fünf größten britischen Glücksspiel-Unternehmen daher ihre freiwilligen Abgaben für Wohltätigkeitszwecke. Zu diesem Zeitpunkt lagen die freiwilligen Spenden der Glücksspiel-Industrie noch bei rund 0,1 % ihres Bruttoertrages. Um eine Pflichtabgabe zu verhindern, verpflichteten sich die Glücksspiel-Riesen, diesen Betrag bis zum Jahr 2023 auf 1 % zu erhöhen.

Die durch eine gesetzliche Abgabe generierten Gelder sollten jedoch von einer seriösen unabhängigen Forschungseinrichtung verwaltet werden, die in keiner Verbindung zur Glücksspielindustrie stehe, betont das Expertenteam.

Eine Möglichkeit sei, diese Aufgabe dem Medical Research Council anzuvertrauen. Dieser könnte sie dann an Wohltätigkeitsorganisationen und Forschungseinrichtungen weiterverteilen.

Nicht nur die Forscher der aktuellen Analyse, sondern auch britische Politiker halten an der Forderung nach einer Pflichtabgabe fest. Somit könnten neueste Forschungsbericht dazu beitragen, dass diese tatsächlich Teil der Neuregulierung der Glücksspielgesetze in Großbritannien werden könnte.