Über 150 Opfer sexueller Übergriffe? Las Vegas Casino-Tycoon Wynn erringt Etappensieg vor Gericht

Posted on: 20/11/2018, 01:53h. 

Last updated on: 20/11/2018, 02:29h.

Las Vegas Casino-Mogul, Milliardär und Trump-Freund Steve Wynn wird beschuldigt, über Jahrzehnte hinweg weibliche Angestellte seines Unternehmens bedrängt und sexuell genötigt zu haben. Jetzt hat er vor Gericht Zeit zum Durchatmen erkämpft: Ein Bericht über die Vorkommnisse darf bis auf Weiteres nicht veröffentlicht werden.

Mirage Las Vegas
Ständige sexuelle Belästigung von Angestellten in den Casinos der Wynn Gruppe in Las Vegas? (Quelle:pixabay/otschnbrotsch, licensed under CC0)

Es geht um Übergriffigkeiten, Schmutz und sehr, sehr viel Geld. Am Montag errang der prominente Gründer des Wynn Resorts Las Vegas, in dem Sänger Robbie Williams im März seine erste Las Vegas Residency auf die Bühne bringt, einen ersten Etappensieg vor Gericht.

Judge Elizabeth Gonzalez, Richterin am Nevada Clark County District Court, untersagte der Massachusetts Gaming Commisson (MGC) die für Dezember geplante Veröffentlichung eines Berichts zur die Causa Wynn. Sie gab damit einer Klage auf Unterlassung des Milliardärs gegen die Glücksspielkontrollbehörde statt.

Weinstein 2.0?

Steve Wynn ist eine schillernde Persönlichkeit. Milliardär und Las Vegas Mogul auf der einen Seite, erzkonservativer Unterstützer der US-amerikanischen Republikaner und Millionenspender auf der anderen Seite. Im Januar dieses Jahres erhielt das öffentliche Bild des 1942 in New Haven, Connecticut, geborenen Unternehmers eine weitere Facette: Die eines übergriffigen Arbeitgebers, der weibliche Angestellte über Jahrzehnte erniedrigte und sexuell nötigte. Damit reihte er sich ein in die unrühmliche Liste, die im Zuge der #MeToo-Bewegung, nach den Enthüllungen um Filmproduzent Harvey Weinstein, sexuellen Missbrauch durch mächtige Männer für die Öffentlichkeit sichtbar machten.

Tarana Burke
Frauenrechtlerin Tarana Burke (Quelle:She`s Revolutionary, licensed nder CC 3.0)

Ursprünglich hatte die Aktivistin Tarana Burke den Hashtag #MeToo schon im Jahr 2006 ins Leben gerufen, um die gegenseitige Bestärkung und Empathie afroamerikanischer Frauen zu fördern, die Opfer sexueller Übergriffe geworden waren.

Durch die Verbreitung des Hashtags durch die Schauspielerin Alyssa Milano, die Frauen, die Opfer von Belästigung und Missbrauch geworden waren, aufforderte ihre Geschichte zu erzählen, entstand 2018 ein virales Phänomen, das vor allem in den USA zu einer Bewegung gegen Machtmissbrauch und sexuelle Belästigung anwuchs.

Investigativer Bericht: Über 150 Opfer melden sich bei Zeitung

Im Januar 2018 veröffentlichte das Wall Street Journal einen investigativen Bericht, der laut Angaben der Journalisten auf Interviews mit über 150 Frauen beruhte. Sie hatten den Journalisten davon erzählt hatten, wie Wynn sich vor ihnen entblößte, sie nötigte, ihn sexuell zu befriedigen und sie zum Sex zwang. Laut der Zeuginnen spielten sich die meisten der Übergriffe in Wynns privater Bürosuite in Las Vegas ab. Manche der Frauen hatten berichtet, sich aus Angst vor dem Milliardär, dessen Vermögen auf 3,5 Milliarden US-Dollar geschätzt wird, in den Toilettenräumen versteckt zu haben, wenn er den Spa-Bereich des Wynn-Resorts betreten habe.

Steve Wynn: Ein Superreicher mit besten Kontakten

Steve Wynn
Las Vegas Casino-Tycoon Steve Wynn 2008 (Quelle Bobak, licensed under CC 3.0)

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatte Wynn sich entrüstet gezeigt und jedwede Form von Übergriffen dementiert. Aufgrund des öffentlichen Drucks legte er noch im Januar sein Amt als Finanzchef des Vorstands der Republikanischen Partei nieder. Seit 2016, dem Beginn der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump, der ihn mehrmals öffentlich als „Freund“ beschrieb, hatte Wynn das Amt im Organisationsgremium der Partei inne.

Im Februar 2018 folgte der Rücktritt von der Leitung seines Casino-Imperiums. Als Erklärung gab Wynn an, seine Funktionen nicht mehr „effizient“ ausfüllen zu können, da der „Drang zur Verurteilung“ die „Fakten“ abgelöst habe. Hinter der „Lawine von negativen Berichten“ vermutete der Tycoon seine Ex-Frau als Strippenzieherin: Es gehe um einen „hässlichen Rechtsstreit“ um alte Vereinbarungen, die Vorwürfe gegen ihn seien „absurd“.

Glücksspielbehörde prüft Lizenzvergabe

Ein „hässlicher Rechtsstreit“ steht Wynn auch jetzt ins Haus, auf der Gegenseite befinden sich diesem Fall jedoch keine ehemaligen Intimpartnerinnen oder Opfer, sondern die Glücksspielkommission des Bundesstaates Massachusetts. Diese untersucht, inwiefern hochrangige Angestellte in Wynns Unternehmen über die Belästigungs- und Missbrauchsvorwürfe gegen ihren Chef informiert waren, während die MGC eine Zulassung der Wynn Gruppe in Massachusetts prüfte.

Derzeit befindet sich Wynn Resorts im Bau eines 2,4 Milliarden Casino-Komplexes in Massachusetts, dem Wynn Boston Harbor.

Stellt sich heraus, dass die Wynn-Gruppe den Ansprüchen der MGC nicht genügt und/oder diese nachweislich belogen bzw. im Unklaren über die internen Vorgänge rund um Gründer Steven Wynn gelassen hat, könnte dies den Entzug der Lizenz für das Unternehmen im gesamten Bundesstaat bedeuten.

Die Massachusetts Gaming Commission (MGC) ist die Entscheidungs- und Regulierungsinstanz für das Glücksspiel in dem Bundesstaat an der US-amerikanischen Ostküste.

Neben dem Spielerschutz ist die MGC auch für die Vergabe von Lizenzen in Massachusetts zuständig und legt bei der Vergabe nicht nur wirtschaftliche und rechtliche, sondern auch ethische Richtlinien zugrunde.

Was wurde verheimlicht?

Bereits im Februar hatte die MGC angekündigt, die Untersuchungen in Bezug auf Steve Wynn trotz seines Abdankens als CEO weiter „aggressiv“ fortführen zu wollen. Damit ist Massachusetts neben Nevada und Macau einer der Staaten, die das Unternehmen auf den regulatorischen Prüfstand stellen.

Wurden die Übergriffe vorsätzlich verschwiegen? (Quelle:bildfouyou7, licendsed under CC 3.0)

Konkret geht es der Kontrollbehörde um die Frage, inwieweit die Führungsetage der Wynn Gruppe der Kommission während einer Anhörung im Jahr 2013 willentlich und wissentlich Informationen zu sexueller Belästigung von Angestellten durch Wynn vorenthalten habe.

Ein aktenkundiger Fall, von dem die Behörde erst durch die Nachforschungen des Wall Street Journals Kenntnis erhielte datiert auf das Jahr 2005. Eine Nageldesignerin des Wynn Resorts hatte eine Zahlung von 7,5 Millionen US-Dollar erhalten, nachdem Wynn sie in seiner Büro-Suite zum Sex gezwungen hatte.

Vor einer anderen Frau, die als Massagetherapeutin in dem Luxusressort angestellt war, hatte der Tycoon sich während der Behandlung wiederholt entblößt und sie genötigt, ihn mit der Hand zu befriedigen. Diese „Happy Endings“ etablierte Wynn laut der Frau als routinemäßiges Ende der Massagen.

Extra-Zuwendungen für High-Roller

Auch im Fokus der Ermittler: Der Umgang mit Kellnerinnen im Mirage-Casino, das ebenfalls zur Wynn-Gruppe gehört. Das Casino habe Angestellte zu High-Rollern geschickt, um für deren „sexuelles Wohlbefinden“ zu sorgen. Dafür habe es Extra-Zahlungen zwischen 1000 und 5000 Dollar gegeben. 1997 reichten 11 Kellnerinnen des Mirage Bundesklage gegen ihren Arbeitgeber ein: Eine Klausel ihres Vertrages verbot es ihnen, mehr als drei Kilo zuzunehmen, nachdem sie ihren Job begonnen hatten.

Hinzukommt für die Gaming Commission die Frage, welche Rolle Steve Wynn auch nach seinem Ausscheiden als Vorstand seines Imperiums weiterhin gespielt habe. Gerüchte, sein Rücktritt könne ihm einen Betrag von rund 330 Millionen Dollar einbringen, halten sich hartnäckig: Sein Vertrag läuft bis 2022 und das freiwillige, angeblich unbegründete Ausscheiden „zum Wohle der Firma“ dürfte dem Milliardär eine zusätzliche hohe Abfindung einbringen.

Bericht unrechtmäßig? Ausgang ungewiss

In der Frage, wer wann was über die Vorgänge rund um sexuelle Belästigung und Ausbeutung weiblicher Angestellte im Hause Wynn wusste, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Während Steve Wynn reklamiert, dass hochrangige Mitarbeiter des Unternehmens einer Verschwiegenheitsklausel unterstünden und der Bericht der MGC mit Informationen seiner ehemaligen Angestellten somit nicht zulässig sei, erklärte Richterin Gonzalez, sich die Argumente beider Parteien in Ruhe anhören zu wollen.

Ob dies das Aus für den Bericht bedeuten wird oder nur einen Aufschub, wird sich zeigen. Ein Termin für die nächste Anhörung steht noch nicht fest.