Niederlande: Umfangreiche Spielsucht-Forschung geplant

Posted on: 05/12/2021, 05:30h. 

Last updated on: 03/12/2021, 06:02h.

Das niederländische Forschungsinstitut für psychische Gesundheit Trimbos hat eine Untersuchung zum Thema Spielsucht veröffentlicht [Seite auf Niederländisch]. In dieser geben die Autoren einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand und Expertenmeinungen. Auch erläutern sie, in welchen Subkategorien neue Studien veranlasst werden sollten.

Mann klickt blaues Fragezeichen mit dem Finger an
Niederländisches Forschungsinstitut zeigt zahlreiche offene Fragen zur Spielsucht auf. (Bild: Pixabay)

Wie die niederländische Glücksspielaufsicht Kansspelautoriteit (KSA) am Donnerstag erklärte, sei die Untersuchung Trimbos‘ über den neuen Fonds zur Suchtprävention finanziert worden. Dieser sei mit Inkrafttreten des neuen Online-Glücksspiel-Gesetzes (KOA) entstanden. Alle Glücksspeil-Anbieter seien verpflichtet, Abgaben für diesen Fonds zu leisten.

Viele Forschungsfelder offen

Wie Trimbos in seiner 87-seitigen Zusammenfassung erklärt, seien seit dem Jahr 2000 in den drei wichtigsten Datenbanken (PubMed; PsycInfo, Web of Science) insgesamt 8.614 wissenschaftliche Artikel zum Thema Spielsucht erschienen. 414 davon seien Übersichten, 59 Metaanalysen und 98 eigenständige Studien gewesen.

Während die Anzahl der Veröffentlichungen insgesamt groß sei, gebe es in einigen Subkategorien so gut wie keine Forschung. Am besten erforscht sei der Bereich der Spielsucht-Therapie (717 wissenschaftliche Abhandlungen, 45 klinische Studien und 14 Metaanalysen).

Kaum Untersuchungen gebe es hingegen zu spezifischen Risikogruppen. Laut Trimbos gebe es sechs erforschenswerte Unterkategorien: Jugendliche, Senioren, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit sozialschwachem Hintergrund, Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen und Vorbestrafte. Für keine dieser Gruppen gebe bislang gezielte klinische Studien.

Risiko-Unterschiede von Spielen weitgehend bekannt

Die bisherige Spielsucht-Forschung habe zahlreiche Erkenntnisse hervorgebracht, über die sich Wissenschaftler heute weitgehend einig seien. Diese beträfen vor allem die Risikoeinstufung verschiedener Formen des Glücksspiels. So spielten Produkteigenschaften und Produktumgebung eine wesentliche Rolle in der Spielsucht-Entstehung.

Als besonders riskant gälten Spiele mit einer schnellen Spielabfolge. Dazu zählten insbesondere Spielautomatenspiele, bei denen eine Spielrunde lediglich wenige Sekunden betrage. Im Online-Glücksspiel sei die Spielgeschwindigkeit häufig noch schneller. In diesem Zusammenhang stelle auch die Auto-Play-Funktion ein großes Risiko dar.

Andererseits zeigten mehrere Studien, dass ein Großteil der behandelten oder befragten Spielsüchtigen insbesondere ein Problem mit Sportwetten habe.

Wie die Autoren von Trimbos erläutern, könnte der Eindruck täuschen, dass die Suchtproblematik bei Sportwetten größer sei als bei anderen Glücksspiel-Angeboten. So suchten sich anderen Studien zufolge weniger als 10 % aller von Spielsucht Betroffenen überhaupt Hilfe. Deshalb sei nur schwer einzuschätzen, mit welcher Art des Spiels Menschen tatsächlich am häufigsten ein Problem hätten. Vor allem die mit größerem Stigma behaftete Sucht nach Online-Slots könnte mit einer großen Dunkelziffer einhergehen.

Meistens betreffe dies jedoch Online-Sportwetten und nicht den Besuch beim traditionellen Buchmacher. Insgesamt lohne sich daher eine tiefergehende Untersuchung zum Thema Spielsucht nach genauer Spielform.

Zahlreiche Fragen bleiben offen

Das Hauptziel der Wissenssynthese sei gewesen, Forschungslücken aufzudecken. Die KSA könne so gezielte und von dem neuen Fonds finanzierte Studien in Auftrag geben. Trimbos listet dabei eine Reihe von noch ungeklärten Fragen auf, denen die Wissenschaft nachgehen sollte.

  • Bedürfen unterschiedliche Personengruppen unterschiedlicher Behandlungsansätze?
  • Wie können kulturelle und sprachliche Hürden bei der Spielsucht-Prävention und -Behandlung überwunden werden?
  • Gibt es grundlegende Unterschiede zwischen Spielsucht bei Männern und bei Frauen?
  • Welche Motivation haben ältere Menschen, mit dem regelmäßigen Glücksspiel anzufangen?
  • Welche Rolle spielen Einsamkeit, Stigma oder Scham bei der Frage, ob sich Betroffene Hilfe suchen?
  • Wie können die Risiken des Glücksspiels insbesondere Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung nahegebracht werden? Und wie können Glücksspiel-Anbieter diese Personengruppe identifizieren?

In der Übersicht Trimbos‘ finden sich insgesamt mehrere Dutzend noch offene Fragen. Die KSA dürfte somit eine große Auswahl haben, was künftige Studien betrifft. Ob somit in den nächsten Jahren tatsächlich mehrere neue Berichte aus den Niederlanden veröffentlicht werden, bleibt abzuwarten.