Jahrelanger Millionen­betrug bei Sportwetten­anbieter Tipster?

Posted on: 19/06/2023, 09:45h. 

Last updated on: 19/06/2023, 09:48h.

Der Sportwettenanbieter Tipster soll jahrelang Beträge in Millionenhöhe am Finanzamt vorbeigeschleust haben. Dies berichtete exklusiv die Süddeutsche Zeitung am Samstag.

Steuerbehörde, Justitia
Tipster soll jahrelang Steuern am Fiskus vorbeigeschleust haben. (Bild: Pixabay)

Den Berichten der Süddeutschen Zeitung zufolge soll Tipster seine Einnahmen über zwei verschiedene Geldkreisläufe abgewickelt haben. Die Vorwürfe wurden bekannt, nachdem die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) dem Sportwettenanbieter am vergangenen Donnerstag die Lizenz für den Betrieb von Sportwetten in Deutschland entzogen hatte.

Im April geriet der ehemals in Deutschland lizenzierte Sportwettenanbieter Tipster in die Negativschlagzeilen, als eine Razzia in den Geschäftsräumen in Deutschland, Malta und Kroatien durchgeführt wurde. Dabei sollen sechs Personen festgenommen worden sein. Die Folge war ein Insolvenzantrag beim Amtsgericht Köln. Ziel sei dabei nach Angaben des Insolvenzverwalters zunächst die Sanierung des Unternehmens gewesen, Kunden konnten weiterhin auf die deutsche Online-Sportwetten-Plattform zugreifen.

Der GGL zufolge erfülle Tipster nicht mehr die Voraussetzungen, um weiter legal am deutschen Wettbetrieb teilnehmen zu können. Die Webseite der Sportwetten-Plattform war nach Bekanntgabe des Bescheids nicht mehr verfügbar.

Zwei Server für Betrug in Höhe von 700 Mio. Euro?

Wie die Recherchen der Süddeutschen Zeitung nun zeigen, könnte Tipster bereits seit dem Jahr 2014 systematisch Einnahmen vor dem Fiskus verborgen haben. So soll der Sportwettenanbieter zwei Server betrieben und zwei verschiedene Buchhaltungen geführt haben.

Je nachdem, an welchem Automaten Kunden ihre Wette platziert hätten, so die Süddeutsche, hätten die Einnahmen unterschiedliche Wege genommen. Ein Teil der Wetten sei über einen ersten Server (Server A) verbucht worden. Diese Einnahmen seien normal in der Buchhaltung erschienen. Dies betreffe auch die Einnahmen über die App sowie die Online-Sportwetten.

Ein weiterer Teil der Einnahmen jedoch sei über einen zweiten Server B verbucht worden. Diese Einnahmen seien in der regulären Buchhaltung nicht aufgetaucht und somit auch nicht mit der Wettsteuer belegt worden. Es soll sich dabei um Einnahmen aus Wettbüros handeln, die über Mittelsmänner bar in die Kölner Geschäftsräume transportiert worden seien.

Die an der Steuerbehörde vorbeigeschleusten Einnahmen seien den Berichten der Süddeutschen Zeitung jahrelang unbemerkt geblieben. Im Jahr 2020 habe sich jedoch ein Whistleblower mit Daten und Informationen an die Behörden gewandt. Daraufhin habe sich die Spezialeinheit „Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten“ mit dem Fall befasst.

Für die Wettkunden selbst sei in keinem Moment ersichtlich gewesen, dass die Einnahmen nicht ihren regulären Weg über die legale Besteuerung gingen. Unklar sei bislang, ob die Betreiber der betreffenden Wettbüros von der Doppelstruktur gewusst hätten. Zudem sei es möglich, dass Wetten in Hinterzimmern oder Annahmestellen getätigt worden seien, die offiziell nicht zu Tipster gehört hätten.

Inwiefern es solche Strukturen gegeben haben könnte und wie weitreichend die Doppelstruktur von Tipster war, wird sich wohl erst im Laufe der Ermittlungen zeigen.