Ziel von Rassismus und angeblicher Spielhallen-Raub: Ex-Nationalspieler Erwin Kostedde wird 75

Posted on: 21/05/2021, 12:51h. 

Last updated on: 21/05/2021, 12:51h.

Im Jahr 1974 steht mit dem damals 28-jährigen Münsteraner Erwin Kostedde erstmals ein dunkelhäutiger Spieler für die deutsche Fußballnationalmannschaft auf dem Rasen. Neben den rassistischen Anfeindungen, die seine Karriere begleiten, hat er immer wieder auch mit privaten Problemen zu kämpfen. 1990 wird der einstige Ausnahmestürmer fälschlich eines Spielhallen-Überfalls beschuldigt und sitzt monatelang in Untersuchungshaft. Heute feiert Erwin Kostedde seinen 75. Geburtstag.

Schachbrett Bauern Rassismus Symbolbild
Als erster nicht-weißer deutscher Nationalspieler blieb Erwin Kostedde für viele ein “Exot” (Quelle:pixabay.com/Melk Hagelslag)

Hoch geflogen, tief gefallen

In seiner Kindheit als „Negerkind“ verspottet und später von vermeintlich wohlmeinenden Berichterstattern als „Brauner Bomber“ bezeichnet, bleibt der 1946 im westfälischen Münster geborene Erwin Kostedde Zeit seines Lebens in weiten Teilen der öffentlichen Wahrnehmung bestenfalls ein „Exot“.

Bei seiner Berufung in die Nationalelf berichtet beispielsweise das „Hamburger Abendblatt“ von einem „modernen Weihnachtsmärchen“:

Es war einmal ein kleiner Mohr … Zwei Tage vor Heiligabend wurde er bereits beschert, und sein Wunsch ging in Erfüllung. Der Mohr wurde Nationalspieler.

Das zweite Thema, das neben seiner Hautfarbe die Berichte über Kostedde dominiert, ist sein tiefer Fall nach der aktiven Zeit. Alkohol, berufliche Fehlentscheidungen und das Vertrauen in Anlagebetrüger kosten ihn sein durchaus beachtliches Vermögen. Ende der 1980er-Jahre ist das Geld weg, Kostedde lebt von Sozialhilfe.

„Bräunlicher Teint, schwarze Haare“

Im Jahr 1990 dann die Katastrophe, die unter anderem von der Tageszeitung Welt als Skandal bezeichnet wird:

Nach einem Überfall auf eine Spielhalle im westfälischen Coesfeld wird der Ex-Nationalspieler festgenommen. Die Angaben der Angestellten zum Täter („bräunlicher Teint, schwarze kurze Haare“) veranlassen die Polizei dazu, ihr Kostedde bei einer Gegenüberstellung zu präsentieren.

Erwin Kostedde stand von 1965 bis 1983 für diverse Profi-Vereine als Mittelstürmer auf dem Platz. Unter anderem machte er Station bei Hertha BSC, Borussia Dortmund, Werder Bremen und dem VfL Osnabrück. In 520 Partien gelangen ihm 291 Tore, davon 98 in 219 Bundesliga-Spielen. Unter anderem wurde Kostedde in Frankreich, Belgien und Deutschland als Torschütze des Jahres geehrt.

Das Problem: Statt wie vorgeschrieben sechs Personen, bekommt die Frau lediglich ihn zu sehen. Medienangaben zufolge habe der verantwortliche Beamte das widerrechtliche Vorgehen damit gerechtfertigt, dass es ausgeschlossen sei, „im Raum Coesfeld noch fünf Farbige aufzutreiben“. Dass beispielsweise im nur rund 35 km entfernten Münster Hunderte dunkelhäutiger Studenten beheimatet waren, habe wohl keine Rolle gespielt.

Erwin Kostedde sitzt fünf Monate unschuldig in Untersuchungshaft, bevor im Juli 1991 der Prozess startet. Vor Gericht ist die Zeugin nicht mehr sicher, ob tatsächlich „dieser Schwarze“ der Täter gewesen sei oder nicht doch ein anderer.

Lebensbilanz „Halb und Halb“

Der Freispruch und die Entschädigung in Höhe von 3.000 DM (rund 1.530 Euro) ändern nichts daran, dass Ruf und Leben des Ex-Nationalspielers zerstört sind. Kostedde überlebt einen Suizidversuch, heute beschreibt er die Zeit während und nach dem angedichteten Raubüberfall als „menschenunwürdig“.

Am Rassismus, so Kostedde in einem aktuellen Gespräch mit der dpa, habe sich bis heute nichts geändert. Nach wie vor dürfe man in Deutschland, Frankreich oder Amerika „keine andere Hautfarbe haben“. Es sei die Hautfarbe, die trenne.

Versöhnlicher klingt die Bilanz, die Erwin Kostedde in Bezug auf sein eigenes Leben zieht. Trotz vieler Tiefschläge habe er auch ein gutes Leben gehabt: „Es war halb und halb, gut und schlecht.“