Die deutsche Nationalmannschaft: Wo bleibt der große Neubeginn?

Posted on: 15/10/2018, 12:49h. 

Last updated on: 15/10/2018, 01:38h.

Die deutsche Nationalelf verlor am Samstag im Nations League Auswärtsspiel gegen die Niederlande 3:0 und riskiert nun den Abstieg in die untere Liga. Eine Niederlage gegen Frankreich am Dienstag würde die deutsche Mannschaft und Bundestrainer Löw ins Aus befördern.

Deutschland Niederlande Nations League
Das 1:0 gegen Deutschland in Spielminute 29 (Bild: Sky)

Russland 2.0 – es bleibt alles beim Alten

Das blamable Vorrunden-Aus bei der Weltmeisterschaft 2018 in Russland wird seit Monaten schonungslos auseinandergepflückt. Schuldzusprüche gab es dabei viele, konkrete Lösungsansätze keine.

Vom großen Umbruch war die Rede und für einen Moment schien es gar, als würde Bundestrainer Joachim Löw (58) tatsächlich die komplette Mannschaft umkrempeln und einige seiner erfahrenen Spieler austauschen.

Im Zuge seiner lang erwarteten WM-Analyse, welche am 29. August nach Wochen des Schweigens in einer einstündigen Pressekonferenz abgehalten wurde, klang das Ganze dann schon deutlich milder.

Der dominante Ballbesitzfußball ohne Torabschlüsse und das langsame Passspiel standen dabei auf technischer Ebene im Mittelpunkt. Die Arroganz der Mannschaft sowie deren innere Zerrissenheit waren aber ebenfalls Thema.

Deutschland seit der WM 2018 – eine Übersicht

Bisherige Spiele:

06.09.2018 Nations League Heimspiel gegen Frankreich: 0:0

09.09.2018 Testspiel gegen Peru: 2:1

13.10.2018 Nations League Auswärtsspiel gegen die Niederlande: 0:3

Bevorstehende Spiele:

16.10.2018 Nations League Auswärtsspiel gegen Frankreich

15.11.2018 Testspiel gegen Russland

19.11.2018 Nations League Heimspiel gegen die Niederlande

Einsicht soll ja bekanntlich der erste Schritt zur Besserung sein, doch von dieser war in der Folge noch nichts zu sehen. Der neue Kader gleicht fast dem alten, denn bis auf Nico Schulz, Kai Havertz und Thilo Kehrer, nahm der Bundestrainer keine neuen Jungtalente mit auf.

Optimistisch und mit klarer Defensiv-Verordnung startete die Elf in die Gruppenspiele der Nations League gegen Frankreich und die Niederlande. Die 4:3:3 Aufstellung sollte dem Team die nötige Stabilität geben.

Keine Chance gegen die Niederlande

Was bei Frankreich gerade noch für ein 0:0 reichte, endete im Spiel gegen die Niederlande mit einer peinlichen 0:3 Blamage. Gegen die schnellen Angriffe der Oranje hatte das Team keine Chance und der Ball landete schneller in Müllers Tor, als die Spieler gucken konnten.

Wie so oft startete die Mannschaft hochmotiviert und lieferte keine allzu schlechte erste Halbzeit ab. Doch dann erzielte Van Dijk (27) wie aus dem Nichts in der 29. Spielminute das erste Tor und verpasste der deutschen Elf damit einen psychologischen Dämpfer.

Virgil Van Dijk Niederlande
Niederländischer Torschütze Virgil Van Dijk (Bild: Wikimedia)

Die zweite Halbzeit war dann umso mehr von Langsamkeit und technischen Mängeln geprägt. In der 87. Minute erzielte der Niederländer Depay (24) dann das 2:0, dicht gefolgt vom Last-Minute-Tor Wijnaldums (27), welches den Niederländern den 3:0 Sieg sicherte.

Ehemaliger Nationaltorwart und derzeitiger ZDF-Fußball-Experte Oliver Kahn (49) merkte nach dem Spiel in einer Kritik an, dass Löw zu sehr auf die älteren Spieler vertraue, statt die jüngeren Talente einzusetzen. Laut Kahn sollte sich der Bundestrainer dringend fragen, wie lange es noch Sinn ergebe, den „etablierten, erfahrenen Spielern das Vertrauen zu geben“.

In der Tat fällt einem beim Blick auf die deutsche vs. niederländische Mannschaftsaufstellung ein nicht zu vernachlässigender Altersunterschied auf. Oranje-Trainer Ronald Koeman (55) nominierte für seine Startelf vier Spieler, die nicht älter als 23 Jahre sind.

Im deutschen Team zählen lediglich Joshua Kimmich (23) und Timo Werner (22) zu den jüngeren Spielern. Ersatztorwart Mark-André ter Stegen (26) durfte nur zuschauen und Leroy Sané (22) muss sich nach wie vor auf der Bank als Joker zufriedengeben.

Löw im Mittelpunkt der Kritik

Nach der Nations League Niederlage am Samstag richteten sich alle Augen erneut auf Bundestrainer Joachim Löw. Seit längerem wurde sein Führungsstil und seine Personalauswahl hinterfragt und von einigen Seiten wurde ihm sogar der Rücktritt nahegelegt.

Erst vor wenigen Tagen kritisierte der ehemalige Mannschaftskapitän Michael Ballack (42) den Bundestrainer und sagte vor der Presse, er sei überrascht, dass Löw noch immer im Amt wäre. Auf die Kritik reagierte der Bundestrainer jedoch gelassen und sagte, es interessiere ihn insbesondere im Hinblick auf die anstehenden Spiele nicht.

Auch nach der Niederlange in Amsterdam zeigte sich Joachim Löw gewohnt kritikunempfindlich. So rechne er damit, dass es eine große Debatte geben werde, in der es auch gezielt um ihn gehen werde. Während der Pressekonferenz nach dem Spiel sagte er:

Damit müssen wir leben, wenn man so eine Leistung zeigt – ich als Trainer zuallererst. Das muss man als Trainer ein Stück weit ausblenden. Ich habe Verständnis dafür, aber das ist nicht meine Aufgabe, mich darum zu kümmern. Ich muss mich um die Mannschaft kümmern.

Seine Position als Bundestrainer scheint derzeit gesichert. Sein aktueller Vertrag ist noch bis zum Jahre 2022 gültig und bisher haben sowohl der DFB wie auch einige Vertreter aus der Bundesliga dem 58-jährigen ihre volle Unterstützung ausgesprochen.

Wie das Nachrichtenportal T-Online zusammenfasste gebe es jedoch auch keine realistischen Alternativen, um Joachim Löw zu ersetzen. Die einzigen würdigen „Weltklassetrainer“ Jürgen Klopp (51) und Thomas Tuchel (45) seien mit dem FC Liverpool bzw. Paris St. Germain anderweitig beschäftigt.

Auch auf Bundesliga-Ebene würde keiner der aktuellen Trainer wirklich in Frage kommen, um die Nationalelf wieder auf den richtigen Kurs zu bringen. Als einzig realistische Option sehe man für den Notfall nur einen Ersatz durch einen internen oder unbekannten Trainer, wie Löw es damals bei Amtsantritt selbst war.

Sieg gegen Frankreich dringend notwendig

So düster es derzeit auch für das deutsche Nationalteam aussieht, so gibt es dennoch einen Funken Hoffnung. Doch diese Hoffnung kommt mit Druck, denn allein der Sieg gegen Frankreich am Dienstag könnte den Abstieg der Mannschaft sofort verhindern.

Sollte die deutsche Elf den aktuellen Weltmeister besiegen, bestünde Punktegleichstand und Deutschland wäre sogar Tabellensieger. Im Heimspiel gegen die Niederlande hätte die Mannschaft dann sogar die Chance, sich für die Finalrunde zu qualifizieren.

Frankreich WEltmeisterpokal 2018
Weltmeister Frankreich 2018 (Bild: Wikipedia)

Schon ein Unentschieden gegen Frankreich ist aber keine Option, denn damit wäre der Gruppensieg definitiv verpasst. Kein Gruppensieg bedeutet keine Finalrunde 2019 und somit keine Chance auf den Nations League Sieg.

Noch dramatischer wäre jedoch der Abstieg aus Liga A in Liga B, derzeit kein unrealistisches Szenario, wenn Deutschland nicht gegen Frankreich siegt. Mit einer Niederlage gegen Les Bleus legt die Nationalelf ihr Nations League Schicksal in niederländische Hand. Sollten diese nämlich das Spiel gegen Frankreich gewinnen, ist der deutsche Abstieg sicher.

Was also den groß angekündigten „Neubeginn“ der deutschen Nationalmannschaft betrifft, dann ist genau jetzt der Zeitpunkt dafür gekommen. Jogi und seine Jungs müssen jetzt mehr denn je beweisen, dass sie aus ihren Fehlern gelernt haben. Noch ist nicht alles verloren, doch eine weitere Niederlage wäre eine Katastrophe für die deutsche Mannschaft.